Am 19.2.25, fünf Jahre nach dem rassistischen Mordanschlag von Hanau, gedachten wir in Dresden den Opfern dieses Attentats. Dabei hielten wir folgende Rede:
Liebe Menschen,
in diesem Jahr gedenken wir zum fünften Mal dem Anschlag von Hanau. Doch in dieser Zeit ist dies um so schmerzhafter, denn weltweit nimmt der Hass auf migrantisierte Menschen und ihre Ausgrenzung zu. Im Jahr 2021 hielt die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel eine Rede zum Gedenken und verurteilte die rassistischen Motive des Anschlags und das Leid, was der Täter den Menschen und Angehörigen angetan hatte.
Damals, als ich die Rede das erste Mal hörte, wirkte sie für mich überzeugend und vorallem der Ausruf “Rassismus ist ein Gift” und man müsse geeint gegen die Rassist*innen stehen, dürfte vermutlich viele Menschen bewegt haben. Dennoch gibt es etwas, was Angela Merkel in dieser Rede ebenfalls kommunizierte, wenn sie sagt: “Gewalttaten wie die Morde von Hanau, wie der Anschlag von Halle oder der Mord an Walter Lübcke haben uns auf schreckliche Weise vor Augen geführt, was der Rechtsextremismus anrichten kann”.
An dieser Stelle sei die Frage gestellt, ob wir nicht schon vorher wussten was Rechtsextremismus anrichten kann? Hier, zeigt sich die Unfähigkeit Deutschlands, sich mit seiner Vergangenheit auseinanderzusetzen, als auch die Grenzen des politischen Liberalismus. Als ob die Deutschen sich durch rechtsextreme Anschläge immer wieder ins Gedächtnis riefen, was in ihrer Geschichte falsch lief, um sich daraufhin zu versichern, dass es ja wichtig sei, sich gegen Rassismus, Antisemitismus, Queerfeindlichkeit und anderen Formen der Diskriminierung zu positionieren.
Was diese kurze Passage aus Merkels Rede zeigt, ist, dass sich der politische Liberalismus in einer Sinnkrise befindet. DIe Gleichwertigkeit aller Menschen wird immer wieder beschworen, doch kann dies nicht verschleiern, dass ökonomische Ungleichheit und struktureller Rassismus sich in den letzen dunklen Ecken des bürokratischen Apparats eingenistet haben. Im Nachgang des Mordens von Hanau wurde vom “Versagen” der Sicherheitsbehörden gesprochen, doch dies ist ein eklatantes Wort, um das zu benennen, was wirklich passiert. Es ist die gezielte Verteilung von Verletzlichkeit, welche der ach so moderne demokratische Staat, in seinem neoliberalen Umfeld sich zur Aufgabe macht. In der Hanauer Arenabar zeigte sich dies, als die Hintertür verschlossen war und kein Notausgang für die Opfer des Anschlags bestand, da die Polizei befohlen hatte diesen abzuschließen. Die kriminalisierende Logik der Polizei, um “einfacher” Hausdurchsuchungen durchzuführen führte somit direkt zum Verlust von Menschenleben. Dies ist nur eine Variable von vielen, welche damals Menschleben hätte retten können.
Damals endete Merkels Rede mit einer langen Wunschliste, um für bessere und sicherere Bedingungen für diskriminierte Minderheiten zu schaffen. Diese wirkt in Licht aktueller Entwicklungen utopisch. Es ist leider so, dass aus Hanau nicht gelernt wurde, sondern zunehmend verlernt wurde. Heute sind Minderheiten so gefährdet wie lange nicht mehr und die versöhnlichen Worte Merkels sind zu Parolen und Hetze in der sogenannten demokratischen Mitte zeronnen. Wollte sich Merkel damals noch vom rechten Rand abgrenzen, erfahren wir heute die zunehmende Anbiederung an diesen. Keine dieser Entwicklungen ist das Ergebnis des direkten Handelns Angela Merkels, welche immer versuchte eine humane Position aufrechtzuerhalten, sondern vielmehr der Tatenlosigkeit, welche auf den Anschlag folgte. Das Motto, sich gegen die Rassist*innen zu positionieren, hatte das Bild des Hanauer Attentäters im Kopf und so wurde wieder über Einzeltäter*innen gesprochen. Dies verdeckt nach wie vor, die strukturellen Dimensionen und Sympathien der sogenannten demokratischen Mitte in die Ermöglichung solcher Verbrechen.
Die Zeiten sind somit schon düster geworden und doch stehen wir heute hier, um dem Verlust dieser wertvollen Menschen zu betrauern und unsere Wut auf die Ungerechtigkeit, welche sie aus unserem Zusammenleben entfernte, spürbar zu machen. Wir erkennen, dass alte sowie neue Gesetze die geforderte Gerechtigkeit nie einfangen können. Deshalb müssen wir die Vergangenheit schreien lassen, um eine gerechte Zukunft zu sehen.